FRANKFURTER RUNDSCHAU – 15. Dezember 2000
Dicke Luft aus der Kläranlage macht Anwohnern zu schaffen
Gutachten schlägt Abdeckung der Becken in Hochheim vor / Finanzierung ist
noch ungeklärt
Von Lia Venn
In der Kläranlage neben dem Neubaugebiet Am Langen Sand ist deutlich mehr Klärschlamm verarbeitet worden, als bisher. Das hat die Baufirma Wilma, Bauträger der Hochheimer Siedlung, in einem Gutachten festgestellt. Sie schlägt vor, die Becken abzudecken. Das fordern auch die Anwohner - Bauträger und Magistrat schieben die Zuständigkeit hin und her.
HOCHHEIM. In der Südstadt ist nach wie vor dicke Luft. Um diese etwas zu reinigen, hat die Baufirma Wilma in einer Pressekonferenz am Donnerstag Ergebnisse eines Gutachtens vorgestellt, dass sie im September in Auftrag gegeben hatte. Laut Gutachten kann zwischen Wetterlage und den von den Anwohnern geführten Geruchsprotokollen kein Zusammenhang hergestellt werden. Der Gutachter habe aber eine deutliche Zunahme der verarbeiteten Menge Klärschlamm festgestellt, besonders im Faulschlammbecken, das als Hauptverursacher für den Geruch gelte.
Ein bepflanzter Erdwall sollte als Geruchshürde dienen. Wider Erwarten reduziere er den Gestank aber nicht genug. Zur Pflege der Pflanzen auf dem Wall hatte Wilma der Stadt 350 000 Mark überweisen müssen. Jetzt schlägt die Firma vor, dieses Geld besser für eine so genannte Einhausung der Klärschlammbecken zu verwenden. Damit würde so zu sagen ein Deckel auf die Geruchsquellen gelegt. Erster Stadtrat Bert Haus (CDU), der nach eigener Angabe nur durch Zufall von der Pressekonferenz am Donnerstag erfahren hat, ist skeptisch. Wenn die Finanzierung geklärt sei, sei die Abdeckung in Ordnung: "Allerdings können wir die Mehrkosten nicht auf sämtliche Hochheimer Bürger abwälzen." Zudem sei die 1995 für 26 Millionen Mark sanierte Kläranlage in einem Umweltgutachten als vorbildlich bezeichnet worden. "Ob man daneben eine Wohnsiedlung hätte bauen sollen, ist eine andere Frage", so Haus . Der Bebauungsplan für das etwa 40 000 Quadratmeter große Gebiet hatte 1998 mit den Stimmen aller Fraktionen das Parlament passiert.
Der Verein "Lebensqualität in der Südstadt", der im November aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen war, gibt an, dass seit September 1999 der Gestank zugenommen habe, seit Mai dieses Jahres beschwerten sich die Anwohner intensiv bei der Stadt. "Es ist gar nicht sicher, dass der Gestank von der Kläranlage kommt", betont der Erste Stadtrat, "das könnte genau so gut von den Kanälen stammen." Das wiederum empfinden die Mitglieder des Vereins als "Gipfel der Unsachlichkeit". Zudem hatten zwei Anwohner an einem Tag im September, an dem der Geruch besonders intensiv war, Gelegenheit, die Kläranlage zu betreten. Ihr Seh- und Nasentest ergab für sie, dass der Gestank zweifelsfrei aus den Vorklärbecken aufstieg.
Der Verein fordert schon seit Wochen, dass diese Becken eingekapselt werden sollen. In einer Presseerklärung schlägt er ebenfalls vor, dafür das Geld zu verwenden, dass die Baufirma Wilma zur Pflege der Wallbepflanzung bereits gezahlt hat. Die 200 000 Mark, die bisher in den Bau des Geruchwalls investiert worden seien, bezeichnet der Verein als Fehlinvestition.
Dokument erstellt am 14.12.2000 um 23:58:46 Uhr
Erscheinungsdatum 15.12.2000